Waren produzieren und mit Gewinn verkaufen, wertvolle Anteile ersteigern und zum Tycoon aufsteigen: Hast du das Zeug dazu, um beim Wirtschaftsspiel Raccoon Tycoon deine Mitstreiter auszustechen?
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In Astoria hat die industrielle Revolution begonnen. Zwei bis fünf Spieler versuchen, am wirtschaftlichen Boom der Stadt teilzuhaben und nutzen die variablen Rohstoffmärkte, um ihr Kapital zu vermehren. Falls ihr jetzt schon gedanklich aussteigt, keine Angst: Raccoon Tycoon ist kein Expertenspiel in Sachen Makroökonomie, sondern spricht Familien mit Kindern ab circa zehn Jahren an.
Wir haben uns die deutsche Lokalisation des Spiels, das bei Piatnik erschienen ist, angesehen. In jedem Spielzug könnt ihr eine von fünf Möglichkeiten nutzen:
1. Produktion von Rohstoffen
Dafür nutzt ihr eure Produktionskarten. Auf diesen Karten sind unten Ressourcen (Weizen, Kohle, Holz, Kohle usw.) abgebildet, von denen ihr euch bis zu drei Stück aus dem allgemeinen Vorrat nehmen dürft. Oben auf jeder Karte seht ihr ebenfalls Symbole der Ressourcen. Alles, was hier steht, steigt auf dem Markt im Preis an. Ihr schiebt die passenden Marker dort nach oben.
Das heißt: Jedes Mal, wenn ihr produziert, ändern sich die Rohstoffpreise. Das kann Auswirkungen auf die nachfolgenden Spieler haben, vor allem, wenn sie Waren verkaufen möchten.
2. Waren verkaufen
Gib so viele Ressourcen einer Art zurück in den Vorrat und multipliziere deren Anzahl mit dem aktuellen Preis, zum Beispiel viermal Holz zum Preis von je sechs Dollar, macht 24 Dollar Erlös, den du dir in Form von Spielgeldscheinen aus dem Vorrat nimmst. Anschließend reagiert der Markt sofort: Ihr müsst den Wert der Ressource um die Anzahl der verkauften Waren entsprechend senken. Je mehr Angebot vorhanden ist, desto stärker sinkt der Preis.
3. Errichten von Bauwerken
Eine weitere Aktion, die man durchführen kann, ist das Errichten von Bauwerken. Unten auf dem Spielplan gibt es eine Reihe von offen ausliegenden Gebäudeplättchen, die sich gegen ein paar Scheine Spielgeld erwerben lassen. Diese Plättchen sorgen für Punkte oder Boni, sind aber sehr teuer.
4. Gebiet erwerben
Die vierte Möglichkeit ist, ein Gebiet zu erwerben. Gib die Kombination von Waren in den allgemeinen Vorrat ab, die auf der offen ausliegenden Gebietskarte angegeben ist. Der Besitz solcher Karten ist am Ende des Spiels Siegpunkte wert.
5. Anteile ersteigern
Und schließlich, als fünfte Aktion, kannst du eine Auktion um eine der beiden offen ausliegenden Anteilskarten starten. Nun dürft ihr reihum im Uhrzeigersinn den Preis für diese Anteilskarte erhöhen oder aus der Auktion aussteigen. Sobald jemand ausgestiegen ist, darf diese Person an der Auktion nicht weiter teilnehmen. Die Auktion endet, wenn alle bis auf eine Person ausgestiegen sind. Diese bezahlt den zuletzt gebotenen Geldbetrag an die Bank und erhält die Anteilskarte, die sie offen vor sich auslegt. Sie bringt am Spielende Siegpunkte.
Nacheinander führen alle Spieler eine dieser Aktionen aus – und zwar so lange, bis entweder der Stapel mit den Anteilskarten oder mit den Gebietskarten verbraucht ist. Dann folgt die Schlusswertung. Zählt dafür eure Siegpunkte der Anteils- und Gebietskarten zusammen, dazu je einen Punkt für jedes errichtete Bauwerk und zwei Punkte für jedes Paar aus Gebiet und Anteil.
Raccoon Tycoon: Fazit und Wertung
Jeder kennt so einen Kinofilm, der interessant beginnt und danach vor sich hinplätschert oder einige Längen hat. Am Ende fragt man sich: War das nicht mindestens eine halbe Stunde zu viel? So ähnlich erging es uns bei Raccoon Tycoon.
Das ansprechende Setting fürs eher trockene Wirtschaftsthema machte uns neugierig. Und aufgrund der einfachen und klar strukturierten Spielzug-Optionen kamen wir sofort rein. Entsprechend fluffig liefen die ersten Runden ab. Auf dem variablen Rohstoffmarkt steigen und fallen die Preise, man muss schnell reagieren, um mit Gewinn zu verkaufen.
Die Auktionen laufen zunächst spannend ab, weil alle mit ihren knappen Geldreserven haushalten und nicht um großen Stil und bei jeder Anteilskarte mitbieten können. Irgendwann gönnt man sich noch ein erstes Gebäudeplättchen und hofft, dass die darauf abgebildeten Vorteile im Laufe des Spiels zum Tragen kommen.
So geht es reihum und geht es reihum und geht es reihum.
Im Spiel zu fünft zog sich unsere Partie über anderthalb Stunden, bis die erste Spielende-Bedingung erfüllt war. Das ist viel zu lang für das, was Raccoon Tycoon unterwegs zu bieten hat. Und nicht nur die Dauer des Spiels macht uns zu schaffen.
- Mehrfach preisgekröntes Brettspiel mit Rohstoffen, Auktionen und Set-Sammlung
- Zwei bis fünf Personen ab zehn Jahren wetteifern bei „Raccoon Tycoon“ um Erfolg und Siegchancen. Je mehr mitspielen, umso schwieriger wird es, die Taktik und den Vermögensstand der anderen einzuschätzen.
- Dafür vergrößert sich auch der Spaß und es dauert rund eine Stunde, bis der raffinierteste Tycoon die Konkurrenz hinter sich lässt. Die Spielregeln werden in der ausführlichen Anleitung leicht verständlich erklärt und mit zahlreichen Beispielen erläutert.
- Das strategische Familienspiel bietet viel hochwertiges Spielmaterial, einen einfachen Spielablauf, der ein dichtes Spielerlebnis verspricht und das Zeug zum Dauerbrenner für spannende Spieleabende hat.
- Erfolgreich abschneiden wird, wer das richtige Timing und die Kontrolle der eigenen Finanzen am bes-ten beherrscht.
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Raccoon Tycoon neigt regelmäßig dazu, den Reichtum sehr ungleich unter den Spielenden zu verteilen. Das sollte man einem kapitalistischen Wirtschaftsspiel nicht unbedingt anlasten. Einige Wenige besitzen schließlich auch in der Realität sehr viel, viele andere versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen.
Geld ist zwar nicht das primäre Spielziel, aber ein nützliches Mittel zum Zweck. Gerade bei den zahlreichen Auktionen führte die zunehmende Ungleichheit dazu, dass meist nur ein oder zwei Spieler um die Anteilsscheine mitbieten konnten. Wer viel Kapital besitzt, den trägt sein Reichtum locker durch die zweite Spielhälfte. Wer wenig hat, muss sich mit der Produktion von Rohstoffen und dem möglichen Kauf von Gebieten begnügen. Anteilskarten, die viele Siegpunkte bringen, findet man bei diesen Spielern am Ende seltener.
Grund für die Schieflage könnten die Gebäudeplättchen sein, die etwas unausgewogen erscheinen. Grundsätzlich sind sie teuer und viele bringen am Spielende wenig (lediglich einen Siegpunkt). Doch es gibt ein paar Gebäude, die man sich unbedingt sichern sollte. Achtung, Spoiler: Die „Exportgesellschaft“ sorgt dafür, dass man regelmäßig und mit viel Gewinn Waren verkauft und jedes Mal eine schöne Stange Bares einstreicht.
Weil alle Plättchen und Karten zufällig vom Nachziehstapel aufgedeckt werden, kam es aber immer wieder zu Situationen mit wenig Nachfrage. Dann änderte sich über viele Runden die Auslage etwa der Gebäude gar nicht. Das hätte man besser lösen und eine gewisse Rotation ermöglichen können. Oder die Preise senken, um Nachfrage zu schaffen.
Familienspiele ermöglichen oft einen gewissen Aufholmechanismus, um zurückliegenden Spielern Anreiz und Motivation zu geben. In Raccoon Tycoon hingegen fährt der Zug der Industrialisierung irgendwann ab. Hoffentlich sitzt man dann mit drin, sonst schaut man den anderen nur noch hinterher und beim Geld verdienen zu.
Raccoon Tycoon – auf einen Blick
Guter Einstieg, danach leider mit Längen: Beim Wirtschaftsspiel Raccoon Tycoon driften die Einkommen der Spieler im Verlauf einer Partie oft weit auseinander. Weil sich das Spiel an Familien richtet, lauert hier viel Frustpotenzial.
Autor: Glenn Drover | Piatnik | 2023 | 2 bis 5 Personen | ab 10 Jahren | ca. 60 (-90) Minuten
Pro
- einfacher, schnörkelloser Ablauf
- schönes Material, vor allem das Spielgeld!
Contra
- etwas langatmig für das, was es bietet
- Gebäudekarten könnten besser ausbalanciert sein
Hinweis: Wertungen vergeben wir im Bereich 0 bis 4 Sternen. Spiele mit 0-1,5 Sternen sind sind schlecht, mit 2 bis 2,5 Sternen durchschnittlich. Ab 3 Sternen beginnen die empfehlenswerten Spiele. Nur außergewöhnliche Titel erhalten 4 Sterne („Four-Star Game“).
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