Ich kaufe ein A und möchte drucken: Bei „Gutenberg“ (Huch!) wandeln wir auf den Spuren des Mainzer Buchdruck-Erfinders, schnappen den Mitspielern lukrative Aufträge weg und sammeln Ruhmpunkte ein. Wir haben das Kennerspiel getestet.
Johannes Gutenberg gilt als Erfinder des modernen Buchdrucks. Mit seinen beweglichen Lettern revolutionierte er ab 1450 die Art und Weise, wie Bücher hergestellt wurden. Bis dahin von Hand mühevoll abgeschrieben, trat die Buchproduktion per Druckerpresse ihren Siegeszug durch Europa an.
Eine Welterfindung, die fast 600 Jahre später in die Brettspielewelt einzieht. Bei Gutenberg, dem neuen Spiel des polnischen Granna Verlags, bauen wir eine Druckerei auf, verbessern die eigene Werkstatt und sichern die Unterstützung einflussreicher Gönner.
Gutenberg: Der Spielablauf
Zwei bis vier Spieler:innen ab zwölf Jahren wetteifern darum, die besten Druckaufträge an Land zu ziehen und umzusetzen. Dafür winken Gulden und/oder Ruhmpunkte. Wer nach sechs Spielrunden die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
Jede Runde besteht aus fünf Aktionen, die nacheinander abgehandelt werden:
- Aufträge auswählen (ein Auftrag besteht aus zwei Kärtchen: Auf der ersten sehen wir alle Lettern, die wir besitzen müssen, um den Auftrag zu erfüllen. Auf der zweiten Karte sind mögliche Veredelungen benannt: Tintentropfen oder Fertigkeiten, die wir im Laufe des Spiels dazulernen.)
- Tinte (in mehreren Farben) auswählen
- die eigenen Spezialfertigkeiten verbessern
- ein Zahnrad erhalten und die Druckerei ausbauen
- Boni oder Ruhmpunkte durch Gönner erhalten
Der große Spielplan dient als gemeinsamer Markt: Material in Form von Karten und Tintentropfen liegt in ausreichender Menge bereit. Ein verdeckter Bietmechanismus entscheidet, welcher Spieler bei jeder Aktion zuerst zugreifen darf.
Und das geht so: Hinter dem Sichtschirm legt man auf seiner Planungstafel Holzmarker für die fünf Aktionen ab. Die Startspielerin besitzt sieben, der Spieler links acht, die nächste neun Marker usw. Hier ist Taktieren und Pokertalent gefragt, denn wer die meisten Würfel bei einer Aktion platziert hat, ist der frühe Vogel und kriegt den besten Wurm. Wer in einer Aktionsleiste keinen Marker ablegt, geht leer aus. Alle anderen erhalten Material aus der Auslage, die in jeder Runde komplett neu bestückt wird. Der Startspieler und damit die Anzahl der Holzmarker verändert sich ebenfalls in jedem Durchgang.
Nicht zu unterschätzen sind beim Bieten die Spezialisierungen (Aktion 3): Fertigkeiten wie Schriftsatz, Holzschnitt, Buchbindung und Buchschmuck lassen sich im Laufe einer Partie durch Upgrades Schritt für Schritt verbessern. Nur mit diesen besonderen Talenten kassieren wir bei den Aufträgen oder Gönnerkarten die wichtigen Ruhmpunkte. Die jeweiligen Karten fordern bestimmte Stufen des Könnens ein, die wir dann erreicht haben müssen.
Ein weiterer Mechanismus ist der Ausbau der eigenen Druckerei (Aktion 4). Wir setzen auf unserem Tableau im Laufe des Spiels bis zu drei Zahnräder ein. Darauf sind verschiedene Boni abgebildet. Zu Beginn einer Runde dreht jede:r das oberste Zahnrad auf dem Spieltableau ein Stück weiter und durch das Ineinandergreifen der Zähne werden neue Boni aktiv, z.B. weitere Aufträge, der Erwerb oder Tausch von Tinte sowie das günstige Kaufen von Buchstaben…
Apropos: Jederzeit dürfen die Spielerinnen neue Lettern (ein Hingucker aus Holz, sogar spiegelverkehrt angefertigt!) einkaufen. Drei hatten sie gratis vor Spielbeginn ausgewählt. Alle weiteren kosten: der vierte Buchstabe vier Gulden, der fünfte fünf usw. Nochmal zur Erinnerung: Um den Pflichtteil eines Auftrags zu erledigen, benötigt man Kombinationen von Lettern, die auf den Karten abgebildet sind.
Gutenberg: Fazit und Wertung
Hochwertiges Spielmaterial (in plastikfreier Verpackung!), ein unverbrauchtes Thema, dazu der frische Bietmechanismus als Herzstück: Mit Gutenberg hat Huch-Spiele einen Frühjahrs-Hit im Angebot.
Die deutsche Lokalisierung glänzt mit einer verständlichen Anleitung und spricht Familienspieler an, die neugierig in Richtung Kennerspiele schielen. Zwei bis vier Spieler ab zwölf Jahren sitzen immerhin 60 bis 90 Minuten am Tisch. Beim Bieten auf die Spielreihenfolge steigt die Interaktivität von Gutenberg mit der Spielerzahl. Im Spiel zu zweit (dafür nutzen wir die Spielplanrückseite) zündete der Mechanismus bei uns nur bedingt. Erst in der vollen Besetzung ist genügend Konkurrenz am Start, um die Gebotsphase mit kribbeliger Spannung aufzuladen.
Wie viele Holzmarker sollte ich setzen, um diesen lukrativen Auftrag zu ergattern und gleichzeitig noch genügend Einsatz für Tinte und Zahnräder in der Hinterhand zu haben? Ein Blick nach links und rechts zu den Tischnachbarn lässt erahnen, welche Güter bei ihnen gerade hoch im Kurs stehen.
Die verzahnten Aktionen von Gutenberg greifen gut ineinander, erscheinen aber weder zu komplex noch überfordernd für ambitionierte Brettspielfans. Gut, 20 Seiten Anleitung sind zunächst nicht ohne. Die sollte eine fleißige Mitspielerin bestenfalls vorab studiert haben. Dann ist das Heranführen der anderen an das Spiel kein Problem. Auch deshalb siedeln wir Gutenberg im Bereich der leichten Kennerspiele ein.
Der Spielablauf ist eher belohnend, alle bekommen etwas ab, niemand geht leer aus oder wird durch eigenes Verschulden weit zurückgeworfen. Das motivierte alle Spielenden in unseren Runden bis zum Schluss. Expertenspieler, für die Varianz und strategische Tiefe in jeder neuen Partie das A und O sind, dürften bei Gutenberg unterfordert sein. Aber die sind hier auch nicht die Zielgruppe.
Gutenberg – auf einen Blick
Buchdruck als Brettspiel: Gutenberg glänzt durch hochwertiges Material und kombiniert bekannte Mechanismen zu einem leichtgängigen Kennerspiel.
Katarzyna Cioch, Wojciech Wiśniewski | Granna, Huch | 2022 | 2 bis 4 Personen | ab 12 Jahren | bis 90 Minuten
Hinweis: Wertungen vergeben wir im Bereich 0 bis 4 Sternen. Spiele mit 0-1,5 Sternen sind sind schlecht, mit 2 bis 2,5 Sternen durchschnittlich. Ab 3 Sternen beginnen die empfehlenswerten Spiele. Nur außergewöhnliche Titel erhalten 4 Sterne („Four-Star Game“).