In Fire & Stone führen wir unseren Stamm durch die Steinzeit, entdecken unbekannte Regionen, siedeln und sammeln Nahrung ein. Wir haben das neue Brettspiel von Carcassonne-Autor Klaus-Jürgen Wrede unter die Lupe genommen.
Eine große Weltkarte als gemeinsames Spielfeld und verdeckte Plättchen, die wir nach und nach erkunden: Bereits der erste Blick auf Fire & Stone macht neugierig. Doch zunächst bestaunen zwei bis vier Personen ab zehn Jahren die mehr als 300 Plättchen, Holzhütten, Figuren und Karten in der randvollen Spielschachtel. Dazu sechs große, eng beschriebene Seiten Anleitung – ist Fire & Stone etwa ein Kennerspiel?
Nein, das Spiel richtet sich klar an Familien und der Einstieg gelingt zügig, sofern jemand aus der Spielrunde sich vorab mit allen Regeln vertraut gemacht hat.
Fire & Stone: Der Spielablauf
Der imposante, 60 x 50 Zentimeter große Spielplan zeigt eine Weltkarte, allerdings nicht eurozentriert. Die Achse Europa-Afrika befindet sich links und wir erkunden vom südlichen Afrika ausgehend alle Kontinente. Drei Regionen gibt es, die wiederum in viele Gebiete unterteilt sind. In jedes dieser Gebiete legen wir vorab ein Entdeckungsplättchen. Auf deren Rückseiten verborgen befinden sich Ressourcen wie Nüsse, Pilze oder Äpfel, andere zeigen Orte wie Wälder, Feuerstellen und Hütten an. Die Spieler werden im Laufe einer Partie auf die meisten Gebiete vordringen, die Plättchen umdrehen und ihre Effekte nutzen.
Zu Beginn besitzen wir nur einen einzigen Späher. Diese Figur dürfen wir in jeder Runde ein oder zwei Gebiete weit bewegen und am Zielort eine Aktion durchführen. Liegt dort zum Beispiel noch ein verdecktes Plättchen, drehen wir es um und führen seinen Entdeckungseffekt aus.
Handelt es sich um ein Hüttenplättchen, nehmen wir sofort eine Holzhütte in unserer Spielerfarbe aus dem Vorrat und platzieren sie in diesem Gebiet. So gründen wir (kostenlos) die erste Siedlung, in der wir nun die Hütten-Mehrheit gegenüber den anderen Spieler:innen besitzen. Das kann sich im Spielverlauf ändern: Sobald jemand auf diesem Gebiet landet, darf er ebenfalls eine Hütte bauen. Gratis ist das aber nicht mehr. Die zweite Hütte kostet dort 1 Nahrung, die dritte 2 Nahrung usw. Ganz klar: Wer die Mehrheit erlangen will (was später zu wichtigen Siegpunkten führt) muss immer tiefer in die Tasche greifen.
Nahrung ist – thematisch passend zur Steinzeit – ein knappes Gut. Die Spielerinnen erhalten diese Holzmarker zum Beispiel, wenn sie einen Wald entdecken, dort ein Tierplättchen aus einem kleineren Stapel auswählen und dieses Tier in einem der folgenden Spielzüge beim Betreten eines Gebietes mit Feuerstelle „zubereiten“. Dann dürfen sie, spielmechanisch ausgedrückt, das Tierplättchen wenden und die Anzahl der Nahrungsmarker nehmen, die auf der Rückseite abgebildet ist. Durchaus beschwerlich, in diesen Zeiten satt zu werden!
Achtung: Jeder kann nur so viel Nahrung bei sich führen, wie Beuteplättchen im eigenen Vorrat liegen. Auch sie sind auf manchen Tierplättchen abgebildet und man sollte ihren Nutzen im Laufe des Spiels nicht unterschätzen.
Fire & Stone bietet weitere Aktionen und Abläufe, die im Rahmen dieser Besprechung nur kurz angerissen bleiben. Ein Blick in die sehr verständliche deutsche Anleitung erklärt sämtliche Feinheiten anhand vieler Beispiele.
- Durch das Sammeln gleicher Obst- oder Gemüseplättchen sind wir in der Lage, Erfindungskarten zu kaufen (oder ein Kärtchen mit mehreren Siegpunkten darauf). Sie bringen im weiteren Verlauf Vorteile, etwa dass man den eigenen Späher drei statt zwei Gebiete weit bewegen oder die Schifffahrtswege auf den Meeren nutzen darf.
- Sobald eine Spielerin das Plättchen mit der Höhle auf der Rückseite aufdeckt, kommt eine spezielle Regelkarte ins Spiel (pro Partie wählen wir zufällig eine von 24 Höhlenkarten aus), die eine einmalige oder dauerhafte Regeländerungen bewirkt.
- Erst nach dem Aufdecken des dritten Hüttenplättchens dürfen die Spieler ihre Expedition in die zweite Region ausdehnen. Nach dem neunten entdeckten Hüttenplättchen ist auch die dritte Region ganz rechts auf dem Spielplan freigeschaltet.
- Das fünfte Hüttenplättchen bringt uns personelle Verstärkung: Alle Spieler:innen erhalten einen zweiten Späher. Dadurch lassen sich in jedem Spielzug zwei Bewegungen bzw. Aktionen ausführen.
Wann endet das Spiel und wie macht man Punkte?
Sobald jemand das elfte Hüttenplättchen aufdeckt und auf die Hüttenleiste legt, wird das Spielende eingeläutet. Alle Tischnachbarn sind reihum noch zweimal an der Reihe. Dann folgt die Wertung.
Im Laufe des Spiels haben wir durch Aktionen (z.B. ein Feuerplättchen aufdecken) bereits erste Siegpunkte erhalten, die auf der Punkteleiste markiert wurden. Hinzu kommt nun jeweils ein Siegpunkt für jede eigene Hütte auf dem Spielplan sowie ein Punkt für jede relative Mehrheit an eigenen Hütten in jeder Siedlung.
Und dann sind da noch die Aufgabenkarten: Zu Beginn hatte jeder Spieler eine zugelost bekommen. Darauf ist ein spezieller Job vermerkt, den es umzusetzen galt – etwa Mehrheiten in Siedlungen bilden, die an Seen oder Gebirgen liegen. Auch hierfür gibt es nun Siegpunkte.
Wer die meisten Siegpunkte erspielt hat, gewinnt bei Fire & Stone.
Fire & Stone: Fazit und Wertung
Wenn Klaus-Jürgen Wrede ein neues, großes Familienspiel veröffentlicht, schauen alle ganz genau hin. Der anhaltende Erfolg von Carcassonne und seinen Erweiterungen und Ablegern seit mehr als 20 Jahren ist dabei Fluch und Segen zugleich. Kann das neue Spiel an diesen Megaseller anknüpfen? Ist es genauso gut? Will man es genauso oft wiederspielen? Die Erwartungen sind immens.
Fire & Stone macht auf den ersten Blick vieles richtig: Thema, Material, Artwork, Anleitung – da gibt es wenig auszusetzen. Wer mit der Familie am Tisch spielerisch die Welt entdecken möchte, darf gern einsteigen. Abgesehen vom Gerangel um die Mehrheit in den Siedlungen geht es friedlich zu in der Steinzeitwelt. Wir fallen nicht mit kriegerischen Horden übereinander her, sondern sichern uns Ressourcen und Nahrung. Dass wir uns dabei die besten Plättchen vor der Nase wegschnappen, gehört bei kompetitiven Spielen dazu. Das halten auch Kinder gut aus.
Glückslastigkeit sorgt für Frustmomente
Was hingegen zu Frust führt, ist die Zufälligkeit des Settings. Die Verteilung der Entdeckungsplättchen auf den Gebieten kann dazu führen, dass ich keine Chance habe, meine Auftragskarte zu erfüllen. Solange kein Hüttenplättchen neben einem See liegt, wird dort niemand eine Siedlung gründen können. Dann habe ich einfach Pech gehabt. Gerade bei den Jüngeren am Tisch sorgte das zu einer genervten Abbruchstimmung.
Wir haben natürlich weitergespielt, uns aber erneut gewundert. Die Idee mit dem Höhlen ist an sich prima. Eine zufällige Höhlenkarte kommt zum Zeitpunkt X ins Spiel und bringt durch zusätzliche Regeln neue Würze herein. Leider fühlte sich das bei uns eher nach einem Salzstreuer an, der verstopft war. Die Karte wurde stets sehr spät aufgedeckt und hatte so gut wie keine Auswirkungen mehr auf den Spielablauf. Verschenktes Potenzial!
Und schließlich ist da noch die Sache mit der Expansion in neue Regionen und der Einsatz des zweiten Spähers. Alle Spieler erhalten gleichzeitig diese Belohnung, obwohl nur einer von uns das Glück hatte, das dritte (bzw. fünfte oder neunte) Hüttenplättchen zu finden. Als ausgleichendes Element in Familienspielen ist das angemessen, hat hier aber den Beigeschmack der Beliebigkeit. Das passiert en passant und ist nichts, was sich in mein Spielverhalten taktierend einbauen ließe.
Unterm Strich bleibt Fire & Stone (Pegasus) ein optisch ansprechendes Brettspiel, das trotz seiner Regelfülle einen einfachen Einstieg bietet. Wer mit den Push-your-Luck-Elementen zurechtkommt und mit mehr als zwei Spielern spielt, wird Fire & Stone eher mögen als Fans von taktischer Tiefe. Für sie gibt es andere Familienspiele, die mehr Handlungsmöglichkeiten und vor allem mehr Abwechslung bieten.