Brettspiele gehören für mich auf den Spieltisch: zum Anfassen und mit echten Menschen drum herum. Ich habe so gut wie keine Spiele-Apps auf Smartphone oder Tablet installiert, selbst gelungene digitale Umsetzungen wie Carcassonne oder Catan reizen mich selten. Spielen bedeutet analoge Entschleunigung. Endlich mal wegkommen vom Monitor, nach acht Stunden plus X in Beruf und Freizeit soll das liebste Hobby nicht auch noch digital stattfinden.
Dann kam Corona.
Statt auf Messen in Essen, Duisburg oder Berlin Brettspiele auszuprobieren, sitzen wir nun zu Hause und fragen uns, ob die eigene Spielerunde mit Freunden noch stattfinden sollte (oder darf). Wem es an Spielpartnerinnen und -partnern mangelt, greift auf Online-Plattformen wie beispielsweise Tabletopia zurück. Dort gibt es seit einigen Jahren eine wachsende Anzahl von Brettspielen, die man digital mit anderen Usern spielen kann.
Tabletopia zeigt den virtuellen Spieltisch mit dem gesamten Inhalt des Spiels. Karten, Meeples oder Token lassen sich mit der Maus oder Tastaturbefehlen hin und her verschieben, wie im Real Life. Und das System sagt den Spielern nicht, wenn sie etwas falsch machen. Wer mitspielt, sollte die Regeln einigermaßen kennen. Wer damit klar kommt, dass Tabletopia keine Simulation mit eingebauter Regellogik darstellt, kann auf eine große Community und mehr als 1.000 Spieltitel zurückgreifen.
Ich muss gestehen, dass diese Welt bislang komplett an mir vorbeigegangen ist. Bis heute, denn nun habe ich erstmals ein Spiel gewagt.
Obsthain: Karten legen und Ernte einfahren
Meine Wahl fiel auf das soeben auf Tabletopia veröffentlichte Obsthain von Board Game Circus. Die Anleitung ist überschaubar, zudem handelt es sich bei Obsthain um ein Solospiel, so dass ich in Ruhe Spiel, Regeln und die Steuerung der Plattform ausprobieren konnte.
Bei Obsthain geht es darum, in zehn bis 15 Minuten Spielzeit durch kluges Anlegen und Platzieren der eigenen Handkarten möglichst viele Früchte zu ernten. Man platziert neue Karten so, dass die darauf abgebildeten Obstbäume andere Bäume gleicher Sorte im Obsthain überdecken. Je geschickter man die Bäume überdeckt, desto mehr Früchte bzw. Punkte gibt es am Ende zu ernten.
Das Spiel ist ganz prima – ein schöner Lückenfüller, wenn man gerade keine Spielpartner hat oder ein wenig Zeit überbrücken möchte. Auch wenn ich es jederzeit gratis bei Tabletopia spielen kann, werde ich es mir als „echtes“ Spiel kaufen. Auch wenn ich mit der Steuerung nach etwas Üben gut klar komme, habe ich das Gefühl von Spielkarten auf der Hand vermisst. Tabletopia ist mir zu steril in der Umgebung, der Monitor schafft es nicht, die Distanz zum Material zu überwinden.
Und Spiele mit mehreren Personen, die zudem komplexere Regeln besitzen, stelle ich mir eher schwierig vor. Da liefe die Kommunikation untereinander mutmaßlich über weitere Tools wie Discord ab, das werde ich in den kommenden Tagen auch noch ausprobieren.
Erstes Fazit zu Tabletopia
Großartig, dass es solche Online-Spieleplattformen wie Tabletopia gibt. Die Auswahl der Spiele ist riesig (wenn auch die Android- oder iOS-Apps deutlich weniger Spiele beinhalten, schade) und man erhält neben Let’s-play-Videos auf YouTube oder dem Studieren von PDF-Anleitungen eine zusätzliche Möglichkeit, in ein neues Spiel reinzuschnuppern. Die Zusammenarbeit mit der SPIEL.digital plus Coupons für vier Wochen Premium-Accounts dürfte sich für Tabletopia lohnen. Dennoch: Ein Ersatz für Spieleabende mit lieben Menschen, die gemeinsam an meinem Tisch sitzen, wird das niemals werden.
Pingback: SPIEL.digital 2020 – mein erstes Fazit – Brettspielelust